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Ein Unternehmersohn aus Guatemala findet sich nach seiner Entführung in einer tiefen Grube wieder. Seine Peiniger schreckten nicht davor zurück, ihn zu verstümmeln und die abgetrennten Gliedmaßen seinem Vater zu schicken. Dieser ignoriert die Lösegeldforderungen und reagiert erst, als es fast zu spät ist. Der nun für immer gezeichnete Sohn überlebt. Jahre später kommt es zu einem rätselhaften Wiedersehen von Opfer und Tätern und zu einer Begegnung mit Paul Bowles, dessen Kreis Rey Rosa in Tanger angehörte. Ein dichtes, lakonisch geschriebenes Meisterwerk über die Frage nach Rache und Gerechtigkeit.…mehr

Produktbeschreibung
Ein Unternehmersohn aus Guatemala findet sich nach seiner Entführung in einer tiefen Grube wieder. Seine Peiniger schreckten nicht davor zurück, ihn zu verstümmeln und die abgetrennten Gliedmaßen seinem Vater zu schicken. Dieser ignoriert die Lösegeldforderungen und reagiert erst, als es fast zu spät ist. Der nun für immer gezeichnete Sohn überlebt. Jahre später kommt es zu einem rätselhaften Wiedersehen von Opfer und Tätern und zu einer Begegnung mit Paul Bowles, dessen Kreis Rey Rosa in Tanger angehörte. Ein dichtes, lakonisch geschriebenes Meisterwerk über die Frage nach Rache und Gerechtigkeit.
Autorenporträt
Rodrigo Rey Rosa, geboren 1958 in Guatemala, lebt in Marokko. Vier Romane und mehrere Erzählbände; übersetzt ins Französische, Englische, Italienische, Holländische, Griechische und Japanische.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2000

Der hinkende Gutmensch
Rodrigo Rey Rosas Roman "Die verlorene Rache"

Seit den Tagen des Unabhängigkeitskampfes zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts bis hin zu den Guerrillakriegen im letzten Drittel des zwanzigsten gab es in Zentralamerika nur unscharfe, kaum wahrnehmbare Trennlinien zwischen dem Begriff des Intellektuellen und dem des Politikers. In fast Sartrescher Diktion sprach der guatemaltekische Literaturnobelpreisträger von 1967, Miguel Angel Asturias, vom Schriftsteller als moralischer Instanz. Doch selbst der "intellectuel engagé" des französischen Philosophen war für die zentralamerikanischen Intellektuellen gegenüber den Herausforderungen des bewaffneten Kampfes in den sechziger, siebziger und achtziger Jahren nur mehr eine Formel zur Beruhigung des Schriftsteller-Philisters in den europäischen Metropolen.

Angesichts der zentralamerikanischen Wirklichkeit stand Radikaleres auf der Tagesordnung. Zunehmend wurden Poet und Guerrillero zu Synonymen. Nicht der politisch aktive Schriftsteller war gefragt, sondern der schreibende Guerrillakämpfer - Literatur im Dienst an der Waffe. Die Rede war von Unterdrückung, staatlicher Willkür und Gewalt, der Intellektuelle verstand sich als Sprachrohr der Sprachlosen, der Mehrheiten ohne Stimmrecht.

Nur scheinbar reiht sich der erste auf deutsch erschienene Roman des 1958 in Guatemala geborenen Autors in diese Tradition ein. Auch sein Thema ist die Gewalt - wie könnte es anders sein angesichts der jüngsten Geschichte Zentralamerikas? Die Bilanz der achtziger Jahre in Guatemala: über vierhundert von der Armee zerstörte Dörfer, eine Million Menschen auf der Flucht, Zehntausende von getöteten Zivilpersonen. Der Roman erzählt eine für dieses Jahrzehnt fast alltägliche Geschichte: Ein junger Mann, Sohn eines reichen Unternehmers, wird entführt. Der Vater, über den "unordentlichen" Lebenswandel seines Sohnes (er hat keinen Sinn für das väterliche Unternehmen, eher schon für Marihuana und Frauen) empört, zahlt das Lösegeld erst, nachdem die Kidnapper ihrer Forderung mit grausamen Verstümmelungen des Entführten Nachdruck verleihen. Fürs Leben gezeichnet, geht er nach der Freilassung ins Ausland und kehrt Jahre später wieder nach Guatemala zurück. Schon in Marokko, wo er zeitweise lebt, trifft er einen seiner Entführer wieder, in Guatemala einen weiteren. Doch im Augenblick des Zusammentreffens entschließt er sich nur, "dass er keine Nachkommenschaft haben wollte, und ihm war, als hätte sein Entschluss damit zu tun, dass er jetzt, da er sie hätte nehmen können, nur ein allzu schwaches Verlangen nach Rache fühlte".

Im Guatemala des Jahres 1996, als das spanischsprachige Original des Romans (bei Alfaguara, Madrid) erschien, mag dieser Verzicht auf Rache wie ein Aufruf zur Versöhnung geklungen haben. Doch da ist nichts von Aufbruchstimmung, eher schon Verstörung. Nicht die Einsicht in die Notwendigkeit gesellschaftlicher Aussöhnung ist das Motiv der Entscheidung, sondern die Müdigkeit des Opfers. Noch immer ist die Gewalt allgegenwärtig (und sei es nur in der Erinnerung), doch sie ist völlig sinnlos geworden. Nur spärlich und eher beiläufig, noch dazu ironisch gebrochen, werden einige Daten der politischen Wirklichkeit Guatemalas eingestreut: der Sozialneid eines Teils der Entführer, die Ausbildung eines Kidnappers zum Anti-Guerrilla-Kämpfer in Israel, der Analphabetismus. Aber welcher politischen Couleur ist diese Gewalt?

Nichts ist geblieben vom Aufschrei des Intellektuellen gegen die staatliche Repression, gegen das Wüten der Militärs und das Morden der rechten paramilitärischen Einheiten. Nicht die Literatur ist Waffe im Kampf gegen diese Gewalt, die Gewalt wird zum Vorwand der Literatur.

Dem entspricht die karge Sprache Rey Rosas, offensichtlich geschult an der Prosa Paul Bowles', der als Romanfigur präsent ist, bewundert und gefürchtet von dem Protagonisten. Da ist nichts mehr vom heroischen Ton der Kampfliteratur früherer Jahre, nichts vom Rekurs auf poetische Elemente der indigenen Tradition, nichts von den sprachlichen Experimenten, die so charakteristisch für die zentralamerikanische Literatur der letzten Jahrzehnte waren. Vielleicht liegt in dieser kunstvoll-schlichten, distanzierten, gleichwohl minutiösen Schreibweise, mit der sich Rey Rosa des Themas Gewalt annimmt, die eigentliche Provokation dieser Literatur in Zentralamerika. Poet und Guerrillero sind geschiedene Leute, Politik und Literatur haben sich wieder getrennt. Das muß nicht schlecht für beide sein. Die moralische Instanz der Schriftsteller, von der Asturias sprach, könnte so wieder zur ästhetischen werden. Und das schließt politisches Engagement keineswegs aus. Rey Rosas kleiner Roman über die zerstörerische Macht der Gewalt ist ein Beleg dafür. Schade nur, daß in der deutschen Übersetzung der ironische Originaltitel "El cojo bueno" (etwa "Der gute Hinkende") verlorengegangen ist.

WERNER MACKENBACH

Rodrigo Rey Rosa: "Die verlorene Rache". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Erich Hackl. Rotpunktverlag, Zürich 2000. 128 S., geb., 29,- DM.

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"Die Schlußpointe des fabelhaften Thrillers zu verraten wäre Spielverderberei." (Der Spiegel)